…dann gehen Segelflieger in die Luft. Am Pfingstwochenende fand der 15. Euregio Cup auf dem Flugplatz Aachen-Merzbrück statt.
Würselen/Merzbrück.
Noch weiß niemand, wohin die Reise führen wird. Und wohl genau deshalb herrscht hektisches Treiben auf dem Flugplatz Aachen-Merzbrück. 40 Piloten, Organisatoren, Helfer, Wetterexperten und Veranstalter, sie alle wuseln über die große Rasenfläche und treffen die letzten Vorkehrungen für den 15. Euregio Cup im Segelfliegen.
Einige montieren die Flügel ihrer Segelflieger, andere schütten noch etwas Wasser in genau diese, damit sie schwerer sind – und somit dem Wetter besser angepasst. Einige Piloten kleben die Verbindungen zwischen Flügel und Maschine mit weißem Klebeband ab, damit die Aerodynamik optimal ist. Andere wischen noch schnell mit einem Lappen über die Frontscheibe, damit einer freien Sicht nichts im Wege steht. Flott setzen sie noch das weiße Hütchen und die Sonnenbrille auf. Dann sind sie startklar. Denn in wenigen Minuten werden die Aufgaben und somit die Flugstrecken, die am Wettbewerbstag erst bekanntgegeben werden, von Sportleiter und Fluglehrer Reinhold Sänger verteilt. Dann steigen die Piloten in die Luft – für mehrere Stunden. Und dann erst wissen die Teilnehmer, wo sie überhaupt hinfliegen müssen.
Am Pfingstwochenende fand der Euregio Cup der Fluggemeinschaft Aachen statt. 40 Segelflieger, die zum größten Teil schon am Mittwoch angereist waren, nahmen an der Rallye teil. Über mehrere Tage hinweg mussten sie bestimmte Aufgaben erfüllen. Am ersten Tag ging es beispielsweise von Merzbrück über Montabaur und Wershoven.
So hatten alle Piloten mit Erhalt des knallorangefarbenen Aufgaben- Blattes die gleichen Voraussetzungen. Es gab je einen Tages- und am Ende natürlich auch einen Gesamtsieger. Jeder Tag startete mit einem Briefing in einer großen Halle auf dem Flugplatz – Pflicht für jedermann. Dort wurden wichtige Fragen geklärt, das Wetter besprochen, über verbotene Lufträume, wie beispielsweise die über den Flughäfen Köln und Düsseldorf, gesprochen und Frequenzen mitgeteilt, über die die Piloten Kontakt zum Tower in Merzbrück halten konnten, oder aber untereinander – die sogenannte Quatschfrequenz. Eingeteilt waren sie in „Hasen“ und „Igel“. Hasen sind demnach die flotteren Flieger, die Igel die langsameren. Schnell wurde noch für jede Gruppe ein Sprecher gewählt und dann konnte es auch endlich losgehen.
Wer die vorgegebene Strecke am schnellsten fliegt, gewinnt. Doch das ist gar nicht so leicht. Denn die meisten Segelflugzeuge haben keinen Motor – und wenn doch, dann wird dieser nur im Notfall eingesetzt. Mit einem Schleppflugzeug werden sie zunächst auf circa 600 Meter Höhe gezogen. Befestigt mit einem Seil sind sie so in wenigen Sekunden in der Luft. Sobald die gewünschten 600 Meter erreicht sind, können sich die Segelflugpiloten ausklinken.
Nun sind sie abhängig von der Thermik. Das bedeutet vereinfacht, abhängig von aufsteigender, warmer Luft. Denn die bringt die Flieger nach oben und lässt sie an Höhe gewinnen. Und das ist ja auch das Ziel: ohne Motor so weit wie möglich treiben lassen. An einem Rallye-Tag sollten das im besten Fall mehrere hundert Kilometer sein. Dabei erreichen die Piloten in der Regel mindestens 60 bis 70 Kilometer pro Stunde (Durchschnittsgeschwindigkeit auf Karte, Kreisen wird als 0 Km/h gerechnet, Anm. Simon). Weniger wäre schlecht, denn dann bleibt nichts, als schnell einen Acker zu suchen, um so sanft wie möglich auf dem Boden zu landen.
Da ein solcher Flug oft mehrere Stunden dauert, essen und trinken die Piloten im Flugzeug. Und es muss sogar viel getrunken werden, denn durch die Einstrahlung der Sonne und alleine schon durchs Atmen verdunsten die Piloten so viel Wasser, dass sie oft zwei bis drei Liter während des Fluges zu sich nehmen müssen. Die haben sie dann in einem Beutel hinter sich verstaut. Mit einem Schlauch können sie ganz bequem Wasser trinken, ohne eine Flasche aufschrauben zu müssen. Doch dieses Wasser muss bekanntlich auch wieder raus. Die Männer haben dafür einen entsprechenden Beutel oder eine Flasche. Für die Frauen ist es etwas unangenehmer. Sie haben keine andere Möglichkeit, als auf eine Windel zurückzugreifen – oder auszuhalten.
Aber das nehmen die Piloten gerne in Kauf. Genauso die Kälte, denn mit demHöhengewinn wird es auch deutlich unangenehmer. Da hilft nur der Zwiebellook – also so viel wie möglich anziehen und dann gegebenenfalls ein Teil wieder ausziehen. Am ersten Tag erreichten einige Piloten sogar rund 2000Meter. Da wird es dann natürlich auch dementsprechend kalt.
Doch darüber klagt niemand an diesem Segelflug-Wochenende. Das freie Fliegen, ganz ohne Hilfe eines Motors und nur mit der Kraft des Windes, ist für viele ein unbeschreibliches Erlebnis – und das immer wieder aufs Neue.
Laura Beemelmanns, erschienen in der Aachener Zeitung.